Villa Lagunta
Da war diese Wühlkiste beim letzten Hofflohmarkt in unserem Viertel. Ganz unten fand ich eine hübsche Blechschachtel mit Papageien darauf. »Fünf Euro«, sagte der Verkäufer. In der Schachtel lagen unzählige Fotos, ein abgegriffenes Buch, alte Postkarten und einige Briefe. Die Fotos in der Box erregten mein Interesse. Der Verkäufer erklärte mir, dass die Schachtel einer alten Nachbarin gehörte, die ins Heim gekommen war. Also drückte ich dem Mann fünf Euro in die Hand und ging weiter. Ich setzte mich später in ein Café und durchsuchte die Schachtel genauer. Die Fotos. Großartig, exotisch, mitunter erotisch. Einige waren in gutem Zustand, andere zerkratzt und verblasst. Da musste eine Geschichte dahinter stecken. Am nächsten Morgen war mir klar, ich müsste unbedingt diese alte Frau finden und sprechen …
So kam ich an die Geschichte des Herrenzirkels der Villa Lagunta.
Die Villa Lagunta war ein Herrenhaus irgendwo im Voralpenland. Die Villa war wohl ab dem späten 19. Jahrhundert bis Mitte der 1930er-Jahre der Treffpunkt eines exklusiven Klubs von Männern aus der besseren bis besten Münchner Gesellschaft gewesen. Wichtig war, dass man offen war für Neues, für Interessantes, für Außergewöhnliches. In Politik, Kultur und Lebensform. Und natürlich, dass man neben einem gerüttelten Maß an Gelehrsamkeit und Bildung auch Witz und Esprit besaß, ebenso wie Kultiviertheit und Eleganz. Gerne sprengte man die Ketten der gesellschaftlichen Konventionen.
In den heiligen Hallen des Klubs trafen sich also Intellektuelle, Musiker, Künstler, Komponisten, Dichter, Adelige, Forscher, Freigeister und Freidenker, vereint in ihrem Streben nach Unkonventionellem, nach Exotik und neuen Ideen. Häufig luden sie Burschen und junge Männer aus dem nächsten Ort zu sich ein. Meist gut aussehende Kerle, die für ein bisschen Handgeld für Aktzeichnungen Modell standen oder beim Nachstellen klassischer Akte für Fotos posierten. Oder sie veranstalteten mit den Burschen Box- oder Ringkämpfe.
Viele Fragen blieben ungeklärt. Doch ein bisschen Licht kam ins Dunkel um den Herrenklub in der Villa. Die Fotos dürften der Kleidung und dem Zustand nach alle aus der Zeit zwischen 1890 und 1930 stammen. Einige Bilder habe ich nachbearbeitet, andere in ihrem (schlechten) Zustand belassen.
Willkommen also in der Villa Lagunta!
Das Projekt »Villa Lagunta« ist ein Kunstprojekt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich erzähle eine Geschichte, nicht nur in Form eines Textes, sondern auch von Bildern, Fotos. Es ist eine Fantasie, die Möglichkeit einer gelebten Utopie. Die Fotos sind keineswegs alleine durch KI entstanden, wie verschiedentlich behauptet wird (in Sozialen Medien). Sie sind eine recht raffinierte Kombination aus den vielfältigen Optionen, die echte Fotos, mögliche Fotos sowie Bildbearbeitung und verschiedene digitale Tools heute bieten. Darum kennzeichne ich sie auch nicht als »KI«/»AI«, es sind »MA«(Martin Arz)-Fotos. Da ich allerdings meine künstlerische Arbeit von der schriftstellerischen trennen möchte (auch wenn sie in dem Projekt »Villa Lagunta« zusammentreffen), ist mein Alter Ego Coriander Pinxit der Herausgeber.
Es stimmt, dass die Meinungen über KI-generierte Kunst weit auseinandergehen. Ich weise jedoch gerne drauf hin, dass meine kreative Arbeit in erster Linie meinem ganz eigenen Vergnügen dient. Ganz gleich, ob ich mich bei der Suche nach Ausdruck für die Malerei, den Text, die Fotografie oder die neuesten digitalen Werkzeuge, einschließlich KI, entscheide – ich mache dies aus Neugier und Spaß an kreativen Prozessen. Ich habe kein Interesse daran, mich auf eine fruchtlose Debatte über die Legitimität von KI in der Kunst einzulassen – die KI ist da, live with it –, und werde mich weiterhin am kreativen Prozess erfreuen.
Fakten ArtBookProject »Villa Lagunta«: Kunstbuch mit 84 Seiten, Hardcover, 4/0-farbig, 21 x 21 cm, 44 Exemplare, limitiert, nummeriert und signiert, ET: 04.10.2023